Wo König Friedrich Wilhelm und Königin Luise ihre Sommer verbrachten – Schloss Paretz im Havelland
In Paretz, einem kleinen Ort im Havelland westlich von Berlin, liegt ein königliches Landhaus – das Schloss Paretz. In diesem Blogbeitrag möchte ich mit euch das Dorf und Schloss Paretz erkunden.
Das soll ein Schloss sein?
Schloss? Das soll ein Schloss sein? Das fragen sich viele Leute auch nach der Rekonstruktion nach der Wende noch, wenn sie vor dem Gebäude stehen. Denn ist es unscheinbar, fast schmucklos und entspricht in seinen Proportionen so gar nicht einem Schloss.
Lediglich die Eingangsportale an der Nord- und Gartenseite enthalten ein paar Schmuckelemente, wie Bogenfenster und Rosetten. Der Mittelrisalit an der straßenseitigen Fassade wird zusätzlich durch zwei Pyramidenpappeln betont. Ansonsten werden die Fassaden lediglich durch die Farbgestaltung gegliedert. Das ist alles.
Daher erscheint der königliche Landsitz in Paretz ungewöhnlich. Und besonders, wenn man ihn mit anderen preußischen Sommerschlössern wie Sanssouci oder dem Marmorpalais in Potsdam vergleicht. Und trotzdem. Es ist ein Schloss, ein königliches sogar!
Mein erster Besuch in Paretz war Ende 2016. Also im Winter und jenseits der Sommerfrische, als der Ort und das Schloss in stiller Ruhe da lagen. Gespannt war ich, wie Paretz auf mich wirken würde. Im Herbst 2017 war ich dann ein zweites Mal dort, um auch einen Rundgang durch die Innenräume zu machen.
Schloss Still-im-Land
Das Anwesen von Paretz hat trotz (oder wegen?) seiner Einfachheit einen romantischen Charakter, der – glaubt man Theodor Fontane – durch das von Eingeweihten verliehene Attribut „Schloss-Still-im-Land“ noch unterstrichen wird. Wie genau der Titel gemeint war, ist schwer zu sagen, denn der Berliner Hof stand dem Landsitz eher skeptisch gegenüber.
Der Paretzer Landsitz ist ganz und gar mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. und der sehr beliebten Königin Luise verbunden, die sich diese Idylle erschaffen und hier gemeinsam zwischen 1797 und 1805 den Sommer für jeweils mehrere Wochen verbrachten. Anfänglich noch als Kronprinzenpaar und später, als Königin Luise gestorben war, König Friedrich Wilhelm allein.
Aber auch danach blieb Paretz ein Rückzugsort. So für Friedrich Wilhelm IV., der schon als Kind hier einige Zeit verbracht hatte, und sich in den Revolutionszeiten von 1848/49 für längere Zeit nach Paretz zurückzog.
„Nur immer denken, dass Sie für einen armen Gutsherrn bauen“
Der Spruch stammt von Friedrich Wilhelm und verdeutlicht, dass die Schlichtheit des Baues durchaus dem Wunsch von Friedrich Wilhelm und Luise entsprach, die auf dem Land jenseits des Trubels in Berlin ein paar Wochen in der Abgeschiedenheit verbringen und dabei auf jeden äußerlichen Prunk verzichten wollten.
Architekt David Gilly wurde mit dem Bau beauftragt. Gilly hatte schon das Schloss Steinhöfel im frühklassizistischen Stil umgestaltet, das dem Kronprinzenpaar außergewöhnlich gefiel. Also wurde der Architekt auch mit Paretz beauftragt. Gilly entwarf an der Stelle eines alten Gutshauses ein 60 Meter langes Landhaus im frühklassizistischen Stil.
1797 war das Gebäude so weit fertiggestellt, dass das preußische Kronprinzenpaar schon ein paar Tage dort verbringen konnten. Und als im gleichen Jahr der Kronprinz den Thron bestieg und sich fortan Friedrich Wilhelm III. nannte, trat die Schlichtheit des Baus noch stärker in Kontrast zu seinen königlichen Bewohnern.
Ein Rundgang durch Schloss Paretz
Das eher schlichte Äußere steht – ganz im klassizistischen Sinne – durchaus prunkvollen Innenräumen entgegen, die ihre Pracht vor allem aus wertvollen Papiertapeten mit Vogel-, Blüten- oder Landschaftsmotiven verdanken. Die Tapeten wurden 1947 nach Potsdam ausgelagert und konnten zwischen 1998 und 2001 dank einer privaten Spende restauriert werden. Heute kann man sie wieder an ihrem Originalstandort betrachten, wo sie den Reiz des Schlosses ausmachen.
Von den originalen Möbelstücken ist allerdings das meiste verschollen. Sie wurden durch andere Möbel aus dem 18. und 19. Jhrdt. ersetzt und geben einen guten Eindruck in die königliche Wohnkultur um 1800. Ein Teil der Ausstellungsräume in Paretz widmet sich gesondert diesem Thema.
Das Vestibül
Das Landhaus konnte über ein repräsentatives Vestibül in der Mitte des Gebäudes betreten werden. Von der Empfangshalle können die privaten Wohnräume auf der linken Seite und die Räume auf der rechten Seite, in der es zudem einen Flur gibt, erreicht werden. Die rechte Seite war den Kindern, den Geschwistern des Kronprinzenpaares und hochrangigen Gästen vorbehalten. Das Vestibül gewährt außerdem einen direkten Zugang zum Gartensaal.
Heute betritt der Besucher das Haus allerdings über einen Eingang auf der rechten Seite. Der Rundgang durch das Schloss beginnt dort mit einer Sonderausstellung zur Geschichte des Schlosses.
Die privaten Wohnräume
Den Auftakt bei der Besichtigung der privaten Wohnräume des königlichen Paares bildet das Billardzimmer. Bereits hier fallen die schönen Papiertapeten auf. Auf den Bordüren der gelben Tapeten sind Korn- und Mohnblumen zu sehen.
Das Wohnzimmer der Königin
Dem Billardzimmer folgt das Wohn- und Schreibzimmer von Königin Luise. Friedrich Wilhelm ließ nach dem Tod seiner Frau das gemeinsame Ehebett in diesem Zimmer aufstellen. Daher ist auf älteren Darstellungen auch ein Bett in diesem Zimmer zu sehen, obwohl es eigentlich kein Schlafzimmer war.
Der Raum ist prachtvoll mit bedruckten Tapeten ausgestattet, die Landschaften darstellen. Bei genauerem Hinsehen kann man Gebäude aus der Potsdamer Kulturlandschaft erkennen. So das Marmorpalais am Heiligen See in Potsdam oder das Schloss auf der Pfaueninsel. Die Tapeten sind so gestaltet, dass man beim betrachten den Eindruck gewinnt, man trete auf einen Balkon, um in die offene Landschaft zu schauen. Wunderschön!
Vom Wohnzimmer gelangt man in das schmale Toiletten-Zimmer, das mit einer Mohnblütentapete ausgestattet ist. Der intime Charakter dieses Raums wird durch seine Größe unterstrichen.
Das Arbeitszimmer Friedrich Wilhelms III. und das Gesellschaftszimmer der Familie
Der weitere Rundgang führt durch ein kleines Treppenhaus in das Arbeitszimmer Friedrich Wilhelms III., dessen Mobiliar von einem Arbeitstisch und einem Bücherschrank geprägt wird. Die Bordüren auf den Tapeten in diesem Zimmer zeigen Weinranken, die in originaler Drucktechnik aufwändig rekonstruiert wurden.
Dem Arbeitszimmer des Königs folgt der größte Raum im Landsitz: der Gesellschaftssaal. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sich die ganze Familie an einem Sommerabend hier zusammengefunden hat, um gemeinsam unter sich oder mit Gästen zu speisen. Und tagsüber die Kinder hier gespielt haben. Der Raum ist direkt vom Billardzimmer, dem Wohnzimmer der Königin und dem Arbeitszimmer des Königs erreichbar. Vor dem Kamin steht ein Spieltisch.
Der Gartensaal
Die nächste und letzte Station auf dem Rundgang durch die privaten Wohnräume des Königspaars ist der wunderschöne Gartensaal. Auch dieser Raum ist reich mit Tapeten ausgestattet, auf denen hauptsächlich Pflanzen zu sehen sind.
Tipps für den Besuch in Paretz
Anfahrt: Mit dem Auto, A 10 westlicher Berliner Ring, Abfahrt Potsdam-Nord, dann Richtung Wustermark und auf die Ausschilderung Schloss Paretz achten. Parkplätze sind in der Nähe des Schlosses vorhanden
Besuch: In Paretz sollte man nicht nur Zeit für den Besuch des Schlosses einplanen. Denn es gibt noch mehr zu sehen. Unsere Verweildauer dort waren 3h.
Die Videodokumentation am Ende des Rundgangs durch das Schloss. Sie informiert über die Rekonstruktion des Schlosses nach der Wende. Eine unglaubliche Leistung, die hier vollbracht wurde. Unbedingt anschauen!
Die Schlossremise mit einer Ausstellung von Kutschen, Schlitten und Sänften des preußischen Königshauses. Sie ist mehr als sehenswert. Die Ausstellungsstücke stammen aus dem preußischen Marstall. Achtet auf die Staatskarosse von Friedrich Wilhelm II. oder die Sänfte von Friedrich II.
Das Dorf. Paretz wurde als preußisches Mustergut umgestaltet und bietet einiges, was man sich ansehen sollte. Dazu gehört unbedingt die gotisch umgebaute Dorfkirche mit Schadows Apotheose der Königin Luise. Auch ein Eiskeller ist zu besichtigen.
Die Erdlöcher. Wer noch Zeittakt, sollte zu den ehemaligen Tongruben fahren, die sich inzwischen mit Grundwasser gefüllt haben. Heute ein Naturidyll, das vielen Wasservögeln ein Zuhause bietet. Biegt an der Paretzhofer Str. in die Hörnerbrücke ein. Et voilà. Viel Spaß in der Natur!
Gastronomie: Ist auch vorhanden, keiner muss mit leerem Magen vom Ausflug heimkehren. Im Gotischen Haus, der ehemaligen Dorfschmiede, gibt es eine Restauration mit Biergarten.
Öffnungszeiten und Preise: Ein Normalticket kostet 6€, ermäßigt 5€. Das Ticket berechtigt auch zum Besuch der Schlossremise. Für die aktuellen Öffnungszeiten besucht am besten die Homepage des Schlosses.
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Was für ein Schmuckstück! Bezaubernde Fotos sind das…