Die Fürstäbtliche Residenz Kempten wird als die erste monumentale Klosteranlage Deutschlands beschrieben, die nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges neu erbaut wurde. Aber nicht deswegen kommen die Besucher heute hierher, sondern vielmehr wegen der einzigartigen aus dem 18. Jahrhundert stammenden Prunkräume in der Residenz Kempten. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön für den freundlichen Empfang in der Residenz und an die Schlösserverwaltung Bayern für die Organisation.

Der kunstsinnige Fürstabt Anselm von Reichlin-Meldegg ließ die Räume in der Zeit von 1732 bis 1736 im späten Régencestil ausstatten. Etwas später, etwa zwischen 1739 und 1742, folgte der Thronsaal im voll ausgereiften Rokokostil.

Künstler wie der Maler Franz Georg Hermann, der Bildhauer Egid Verhelst und die Stuckateure Johann Georg Üblhör und Johann Schütz, sowie andere Vertreter der Wessobrunner Schule trugen dazu bei, dass die Residenz Kempten mit ihrer verschwenderischen Pracht zu einem der bedeutendsten Bauwerke des süddeutschen Rokoko wurde.

Ein Rundgang durch die Prunkräume

Das Schlafzimmer

Über die Hofkanzlei gelangt ihr bei eurem Besuch zunächst in das Schlafzimmer. Dort, wo eigentlich die Raumfolge der fürstäbtlichen Wohnung endet, beginnt der Rundgang.

Ein geschwungener Bogen an der Decke unterteilt den Raum in einen Vorraum und einen Alkoven. Letzterer wurde vermutlich ganz in barocker Manier zusätzlich durch eine Balustrade am Boden vom Vorraum abgetrennt. An der Decke seht ihr ein Gemälde vom Hofmaler Franz Georg Hermann, das „Jakobs Traum von der Himmelsleiter“ zeigt. Ebenso Putti, die Planeten symbolisieren. Ein Putto mit der Sonne als Herrschaftssymbol steht in der Mitte.

Achtet beim Besuch auch auf die prächtigen Türbekrönungen mit Darstellungen des Ecce-homo-Christus und der Schmerzhaften Maria. Und habt ihr auch die Köpfe links und rechts oberhalb der Supraportenbilder gesehen? Sie stellen die vier Jahreszeiten dar.

Das Tagzimmer

Das an das Schlafzimmer angrenzende sog. Tagzimmer war der Wohn- und Arbeitsraum des Fürstabtes, der hier auch kleinere Besprechungen abhielt. In den abgerundeten Ecken stehen drei sehr schöne Kabinettschränke (vermutlich für das Privatarchiv des Fürstabtes) sowie ein Prunkofen aus dem späten 18. Jahrhundert.

Auf dem Bild an der Westwand seht ihr die Allegorie der Klugheit mit einer Schlange als Symbol der Weisheit und einem Spiegel als Symbol der Selbsterkenntnis. Auf drei anderen Wandbildern sind weitere weltliche Kardinalstugenden dargestellt.

Das Deckenbild von Franz Georg Hermann wird als Darstellung des „Weges der christlichen Seele“ gedeutet, die den Versuchungen des Satans widerstehend in den Himmel gelangt. Ein für mich sehr schöner und wohnlicher Raum.

Das Audienzzimmer

Das Audienzzimmer ist in der Raumfolge das größte Zimmer vor dem Thronsaal. Hier fällt besonders der Kamin vom Stuckateur Johann Schütz auf. Zu sehen ist Herkules als Träger der Weltkugel mit einer Uhr. Darüber steht Chronos, der Gott der Zeit, und weist auf die Vergänglichkeit hin. Die beiden seitlich schwebenden Putti tragen die Zeichen der Vergänglichkeit (die Sense) und der Ewigkeit (den Schlangenring). Wunderschön, oder? Und passend für ein Empfangszimmer, denn Zeit ist knapp. Auch für eine Audienz. 

Auf dem Deckenbild von Franz Georg Hermann ist der Besuch der Königin Saba bei Salomo zu sehen. Ein Motiv, das auch als Wandbild im Tagzimmer zu sehen ist. Die Frauenfiguren in den Eckkartuschen stellen Allegorien des Friedens, der Gerechtigkeit, der Klugheit und des Wohlstands dar.

Der Thronsaal

Am östlichen Ende in der Raumfolge der Prunkräume liegt der Thronsaal bzw. Große Festsaal. Es ist der größte und in Ausstattung und Funktion der bedeutendste Raum in der Residenz. Hier entfaltet sich der Stuck des Rokoko zu seiner vollen Blüte, eine Schöpfung des Meisters Johann Georg Üblhör.

Neben dem reichen Stuck ist das Deckenbild von Franz Georg Hermann besonders ausdrucksstark. Die wichtigsten Darstellungen finden sich an den Rändern hinter einer Scheinbalustrade. Die Nordseite zeigt wichtige Ereignisse in der Geschichte des Fürstifts, etwa die Gründung des Stifts durch Karl den Großen und seine Gemahlin Hildegard sowie die Bestätigung der Gründung und der Vorrechte des Stifts durch Papst Hadrian I. An der Südseite schreitet Fürstabt Anselm von Reichlin-Meldegg an der Spitze eines feierlichen Zuges.

Schaut ihr auf die Kartusche oberhalb der Ofennische an der westlichen Schmalseite, seht ihr die Gründungsurkunde des Stifts und eine Frau mit  Gerätschaften der Geometrie. Dazu die Inschrift „Pietate patrum“, was übersetzt heißt „Durch die Frömmigkeit der Väter“. An der östlichen Schmalseite antwortet eine andere Frau, die als Personifizierung der Architektur zu verstehen ist, „Labore nepotum“, durch die Arbeit der Enkel ist das Stift gewachsen. Die Darstellungen links und rechts der beiden Kartuschen veranschaulichen zudem den Reichtum des Stifts an Gewässern und Jagdwild sowie seine weltliche Autorität und die Tätigkeit in Predigt und geistlicher Gerichtsbarkeit.

Hier endet der Rundgang durch die Prunkräume in der Residenz Kempten. Wenn euch der Beitrag gefallen hat, gebt gerne ein Like oder hinterlasst einen Kommentar weiter unter.

Informationen zur Vorbereitung eures Besuchs in der Residenz findet ihr hier oder bei der Stadt Kempten.

Lust auf mehr Rokoko in Bayern? Dann schaut doch mal auf dieser Seite in meinem Blog vorbei.

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