Im Juli 2021 war es soweit. Es ging zu einem lang geplanten Besuch nach Calden bei Kassel in eine wahre Rokoko-Perle: Schloss Wilhelmsthal. Endlich, denn Corona hatte immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber jetzt entdeckt mit mir das Lustschloss der Landgrafen von Hessen-Kassel bei einem Rundgang durch die Räumlichkeiten dieser Rokoko-Zeitkapsel, die die Wirren der Zeit nahezu unbeschadet überstanden hat.

Und an dieser Stelle schon mal ein ganz herzliches Dankeschön an das Team von Schloss Wilhelmsthal für den spannend-informativen Privatrundgang durch das Schloss. Und die Möglichkeit, in aller Ruhe Fotos zu machen. Das war Spitze!

Der Musensaal

Dieser Raum ist das Herzstück im landgräflichen „Maison de plaisance“ in Calden – der Musensaal. Daher fange ich bei meinem Rundgang durch das Haus auch gleich mit diesem Raum im Obergeschoss an. Ein Rokoko-Traum in Aprikosenfarben! Die gesamte Dekoration gibt Hinweise auf die Nutzung des Saals. So zeigen die fünf Supraporten – jeweils paarweise – Apoll mit den neun Musen. Jetzt verstehen wir auch, warum der Saal Musensaal heißt. Trophäen sowie filigrane, vergoldete Dekorationen an den Wänden weisen auf Tanz und Musik hin. Auch heute wird der Musensaal immer wieder für Konzerte genutzt.

Die Schönheitengalerie

Rokoko vom Feinsten – das sind die beiden Vorzimmer des Landgrafen von Hessen-Kassel, in der sich die sog.„Schönheitengalerie“ befindet. Die hier dargestellten Damen sind entweder Mitglieder der fürstlichen Familie, Vertreterinnen des Adels oder sogar des Bürgertums. Gemalt wurden sie von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. Der Entwurf für die Innenausstattung – insbesondere für die opulenten Spiegel- und Bilderrahmen – stammt von Johann August Nahl d. Ä. Vielleicht kennt ihr ihn aus Potsdam? Er war zuvor in Preußen für Friedrich II. u.a. im Neuen Flügel von Schloss Charlottenburg oder in Sanssouci tätig. Wegen Unstimmigkeiten mit dem preußischen König floh Nahl später in die Schweiz nach Basel und siedelte schließlich nach Hessen über, wo er in die Dienste des Landgrafen eintrat. Was für eine spannende, europäische Geschichte!

Der Speisesaal

Wer würde hier nicht gerne dinieren? Das meergrün stuckierte Speisezimmer von Schloss Wilhelmsthal mit einer vergoldeten Dekoration aus Blumen und Früchten erfüllt zugleich die Funktion eines Gartensaals. Über Fenstertüren und zwei geschwungenen Treppen konnte die Hofgesellschaft problemlos nach dem Essen in den angrenzenden Park gelangen. Erinnert der Raum nicht irgendwie an die Goldene Galerie im Berliner Schloss Charlottenburg?

Das Papageienzimmer

Das sog. Papageienzimmer – das Kabinett in der oberen Gästewohnung von Schloss Wilhelmsthal – zählt zu den schönsten Rokoko-Raumschöpfungen des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Der Entwurf stammt von Johann August Nahl d. Ä. und ist ganz der Tradition des friderizianischen Rokoko verpflichtet. Besonders schön sind die farbig gefassten Schnitzereien an den in Apfelgrün gehaltenen Wänden. Sie zeigen u.a. Vögel, die in von Kirschzweigen umrahmten Käfigen sitzen. Bei meinem Besuch fühlte ich mich irgendwie an das Voltaire-Zimmer von Schloss Sanssouci erinnert, dessen Dekoration ganz ähnlich ist.

Das Kabinett des Landgrafen

Das Privatkabinett in der Wohnung des Landgrafen ist besonders hochwertig ausgestattet, denn hier steht ein besonders edles Möbelstück, die sog. Pfauenfederkommode. Das Möbel aus einer französischen Werkstatt ist mit hauchdünnen Perlmuttplättchen und geprägten Silberfolien in Form von Pfauenfedern überzogen. Wahrhaftig schön! Weltweit sind nur zwei weitere vergleichbare Prunkmöbel bekannt. Bitte unbedingt auf die einzelnen Bilder zum Vergrößern klicken!

Die Schlafzimmer

Als Gästeschloss verfügt Wilhelmsthal natürlich über mehrere Schlafzimmer. Im Zimmer des Landgrafen stand ursprünglich ein Himmelbett, das später durch ein „Lit à la Polonaise“ ersetzt wurde. Ihr könnt es auf dem Bild ganz links sehen. An den Wänden hingen ursprünglich chinesische Seidentapeten, was auf eine eher private Nutzung des Paradeschlafzimmers hinwies. In der Gästewohnung im Obergeschoss von Schloss Wilhelmsthal befindet sich ein kleines Kabinett mit einem Alkoven. Die Besonderheit in diesem Raum ist eine handgemalte Papiertapete aus China von ca. 1780, die um 1822 in diesem Schlafzimmer angebracht wurde. Ihr seht sie ganz rechts. Die Tapeten aus Seidendamast in den anderen Räumen wurden in den 1970iger Jahren nach historischer Vorlage nachgewebt.

Vorzimmer, Kabinett und Ankleidezimmer der Landgräfin

In den Räumen der Landgräfin hat sich die gesamte Nahl’sche Dekoration wie in vielen anderen Räumen von Wilhelmsthal ohne Veränderungen erhalten. Der hellblaue Farbton der Wände im Vorzimmer entspricht der Farbe in den beiden Vorzimmern des Landgrafen. Wegen der geschnitzten und vergoldeten Jagdtrophäen, Zweigen und Vögeln wird dieser Raum auch als Jagdzimmer bezeichnet. Eine Tapetentür führt von hier in das Schlafzimmer der Landgräfin sowie in ihr Ankleidezimmer. An den Wänden und Türen im Kabinett der Landgräfin finden sich farbige Rocailles, Blüten und Musikinstrumente, die in immer neuen Variationen zusammengestellt sind.

Treppenhaus und oberes Vestibül

Das Treppenhaus von Schloss Wilhelmsthal soll auch nicht zu kurz kommen. Es ist nicht zentral gelegen, sondern wurde wie in den französischen Vorbildern an die Seite verlegt. Üppige, vergoldete Festons mit Musikinstrumenten hängen vom Gesims der Decke und geben einen Vorgeschmack auf kulturelle Lustbarkeiten im folgenden Festsaal. Blütenverzierte Rocaillen sowie Putten an den Wänden und in der Hohlkehle komplettieren die Dekoration und leiten in die Beletage mit dem Musensaal über.

Die Schlossküche

Zum Abschluss unseres Besuchs durften wir auch noch einen Blick in die Schlossküche werfen. Normalerweise ist sie nur bei Sonderführungen zu sehen. In der Mitte des Raums befindet sich ein großer Kamin mit darunterliegendem Herd. Die Bratenwendemaschine im Kamin gehört noch zur Originalausstattung der Küche von 1753. 1975 wurde die Küche wiederhergestellt.

Fazit

Ich würde sagen: Für jeden Rokoko-Fan ein absolutes Muss! Schaut euch dieses Kleinod an und werdet glücklich. Nach dem Schlossbesuch empfiehlt sich ein Rundgang durch den Park. Eine aktuelle Ausstellung (Sommer 2021) informiert über die geplanten, aber nie verwirklichten Wasserspiele im Park. Kaffee und Kuchen gibt es in einem nahegelegenen Café. Ausreichend Parkmöglichkeiten sind am Eingang vorhanden. Tickets für die stündlichen Schlossführungen können direkt vor Ort erworben werden. Weitere Infos gibt es auf der Internetseite des Schlosses.

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