Schloss Molsdorf in Erfurt ist eine ehemalige Wasserburg, die der Diplomat Gustav Adolph von Gotter ab 1734 zu einem prächtigen Landschloss im Stil des Rokoko umgestalten ließ. Die spätbarocke Gartenfassade ist einzigartig in Thüringen. Nachfolgende Besitzer haben ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. Zwei phantastisch gestaltete Räume im Stil des Historismus gehören dazu. Gehen wir also auf Entdeckungstour durch das schöne und vielseitige Schloss Molsdorf.
Der Festsaal
Die erste Station unseres Rundgangs durch die Beletage des Schlosses ist der Festsaal. Die Wände dieses Raums sind bis zur Decke mit Eichenholz vertäfelt, in die 33 Porträtbilder eingearbeitet sind. Das allein ist für einen Festsaal dieser Zeit schon ungewöhnlich und lässt eigentlich auf eine Ahnengalerie schließen. Es ist aber keine Ahnengalerie! Vielmehr sehen wir hier eine Auswahl von Gönnern und Freunden des Hausherrn von Molsdorf, dem Diplomaten Graf Gustav Adolph von Gotter. Unter den Dargestellten befindet sich übrigens auch Friedrich II. von Preußen, der wohl Gotters diplomatisches Geschick gerne in Anspruch nahm. Betrachtet auch mal das Deckengemälde auf dem vorletzten Bild in der folgenden Bildergalerie. Es ist von einem imposanten Holzrahmen umgeben. Einer Legende zufolge soll es sich bei dem Gemälde daher eigentlich um einen versenkbaren Tisch handeln. Stimmt aber nicht! Aber die Vorstellung ist auch nicht ganz abwegig, denn der Festsaal wurde auch als Speisesaal genutzt.
Der Marmorsaal
Der Marmorsaal ist der absolute Höhepunkt im Schloss. Nicht nur wegen der zentralen Lage, sondern auch aufgrund seiner Ausstrahlung. Gotter konnte für die Gestaltung den sächsischen Hofbaumeister Gottfried Heinrich Krohne, den Stuckateur Johann Baptist Pedrozzi und den preußischen Hofmaler Antoine Pesne anwerben. Letzterem wird das Deckengemälde zugeschrieben. Zu sehen ist Aurora mit dem Sonnenwagen, obgleich Aurora nicht im Zentrum des Bildes steht, sondern die Göttin Flora. Sie schaut in Richtung des Schlossgartens und stellt somit einen Bezug zum Park her. Der personifizierte Morgentau und der Frühlingswind Zephyr begleiten die beiden Göttinnen. An den Deckenrändern sind die vier Jahreszeiten in Reliefkartuschen dargestellt. Auf einem der folgenden Bilder könnt ihr den Winter sehen. Der Herr unter dem Relief ist übrigens Graf Gotter in Jagduniform.
Das Große Eckzimmer
Das Große Eckzimmer (das zweilen auch als Roter Salon bezeichnet wurde) diente als Konversations- und Arbeitszimmer. Die Wände waren einst wie im Festsaal bis zur Decke mit Holz vertäfelt, einzig die schöne Sockelzone hat sich davon erhalten. Die Damen auf dem Deckengemälde symbolisieren die Sieben Freien Künste und deren Sieg über Frömmelei und Unwissenheit und damit den Beginn des Goldenen Zeitalters. Ganz im Sinne der aufgeklärten Geisteswelt Gotters.
Das Damenkabinett
Seitlich zum Marmorsaal liegen zwei Kabinette, von denen eines das sog. Damenkabinett ist. Ein bezaubernder Raum, in dem zu Graf Gotters Zeiten 35 Bildnisse gekrönter Damen hingen. Sie wurden jedoch schon 1791 wieder entfernt. Besonders schön fand ich die originalen Darstellungen von Musikinstrumenten und Masken auf den hölzernen Wandrahmen und in den Türen. Hervorzuheben ist auch der Stuck aus Blattwerk, Muscheln und Tieren an der Decke. Ganz phantastisch!
Das Kabinett
Auf der gegenüberliegenden Seite des Damenkabinetts befindet sich ein weiteres Kabinett, das aufgrund des zur Originalausstattung gehörenden Alkoven mit Bett eher den Eindruck eines Schlafzimmers macht. Aber geschlafen hat der Graf hier nie. Es war wie das Damenkabinett wohl mehr ein Rückzugsraum für private Unterredungen. Besonders schön sind bei beiden Putten mit Blumengirlanden, die über dem Alkoven zu sehen sind. Auch Gotter selbst ist wieder zu sehen, und zwar auf dem Gemälde „Graf Gotter mit Begleiterin in Pilgertracht“ von Antoine Pesne. Zu sehen ist es auf dem zweiten Bild in der folgenden Galerie.
Die Anrichte
Dem Festsaal vorgelagert ist die Anrichte. Der Name weist schon auf die Funktion des Raumes hin. Hier wurden Speisen angerichtet, die anschließend im Festsaal bei Feierlichkeiten aufgetischt wurden. In den mit Rocaillen geschmückten Nischen standen zu Gotters Zeiten Chinoiserien und Meißner Porzellan.
Ruhenische und Marmorbad der Gräfin Gneisenau
Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhr Schloss Molsdorf unter der damaligen Besitzerin Gräfin Maria von Gneisenau eine Modernisierung. Das Haus bekam fließend Wasser, Elektrizität und eine Heizung. Im Zuge der Modernisierung ließ die Gräfin auch zwei Räume von Paul Schultze-Naumburg und den Saalecker Werkstätten im historistischen Stil neu gestalten: die sog. Ruhenische neben der Bibliothek und das Marmorbad. Ein reizvoller Kontrast für das Auge nach all der barocken Pracht in Gotters Beletage.
Nach dem Rundgang durch das Schloss empfehle ich euch noch einen entspannten Besuch im Schlosscafé im Erdgeschoss auf der Gartenseite. Auch ein kleiner Spaziergang durch den den ca. 9 ha großen Schlosspark mit seinen programmatischen Bezügen zum Schloss bietet sich an.
An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an die Schlossverwaltung für die Erteilung der Fotoerlaubnis und den überaus interessanten Rundgang durch das Schloss.
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Weitere Schlösser in Thüringen findet ihr hier in meinem Blog: Altenburg, Gotha, Sondershausen, Weimar oder Heidecksburg.