In diesem Beitrag zeige ich euch Schloss Rundāle – das Versailles des Baltikums. Im August 2021 konnte ich endlich nach Lettland fliegen und den barocken Palastkomplex besuchen, der keine 90 Minuten Autofahrt von Riga entfernt liegt. Den Besucher erwarten in Rundāle nicht nur prachtvoll gestaltete Innenräume, sondern auch ein großzügiger Barockgarten, der sog. Französischen Garten, mit kunstvoll gestalteten Bosketten, die zum Lustwandeln einladen. Also ein doppelter Grund für einen Besuch im Versailles des Baltikums.

Kurz zur Baugeschichte: Schloss Rundāle wurde als Sommerresidenz für den kurländischen Herzog Ernst Johann Biron nach Entwürfen des berühmten italienisch-russischen Architekten Francesco Rastrelli errichtet. Die Erbauung gliedert sich in zwei Abschnitte: 1736 – 1740 und 1764 – 1768. Die über 20-jährige Baupause lässt sich wie folgt erklären: Herzog Biron war ein Günstling der russischen Zarin Anna Joanowna, die 1740 starb. Biron wurde zum Regenten des russischen Reichs eingesetzt und kurze Zeit später in einem Staatsstreich wieder abgesetzt und in die Verbannung geschickt. 1762 begnadete ihn die neue Zarin von Russland, Katharina II., und Herzog Biron kehrte in das Herzogtum Kurland-Semgallen zurück. Der Bau des Schlosses Rundāle konnte jetzt vollendet werden. Nach der darauffolgenden wechselvollen Geschichte mit Zerstörungen, Fremdnutzung und Enteignung, wurde 1972 das Schlossmuseum Rundāle gegründet und mit der Restaurierung begonnen. Seitdem erstrahlt Schloss Rundāle in neuem, altem Glanz.

Paradetreppenhaus: hier beginnt dein Rundgang

Der Rundgang startet eindrucksvoll in einem Paradetreppenhaus, von dem es im Schloss gleich zwei gibt: eines auf der Ost- und eines auf der Westseite. Beide Treppenhäuser sind ein Beispiel für die frühe Tätigkeit des Architekten und Bildhauers Bartolomeo Francesco Rastrelli. Vollendet wurden sie 1740, also in der ersten Bauphase des Schlosses. Danach war Rastrelli unter Zarin Elisabeth I. hauptsächlich in St. Petersburg tätig, wo er sein Hauptwerk, den Winterpalast, schuf.

Die Festsäle von Rundāle: Preußen im Baltikum

Über das Paradetreppenhaus gelangst du zunächst in die beiden Festsäle von Schloss Rundāle und die Große Galerie. Ein erster Höhepunkt!

Goldener Saal und Porzellankabinett

Erste Station ist der Goldene Saal. Es ist der prunkvollste Saal im Schloss und diente dem Herzog als Audienz- und Thronsaal. Der Entwurf stammt von Johann Michael Graff, einem Bildhauer, der zuvor in Berlin am preußischen Hof tätig war. Ein Zeugnis der Tätigkeit Graffs in Berlin könnt ihr heute noch bewundern, den Rokokofestsaal von Schloss Schönhausen. Das Deckengemälde im Goldenen Saal ist eine Allegorie auf die Tugenden des Herrschers. Francesco Martini und Carlo Zucchi vollendeten es 1767, also in der zweiten Bauphase des Schlosses.

Wie in vielen anderen Schlössern des 18. Jahrhunderts gibt es auch in Rundāle Porzellankabinette, die aus der damals herrschenden China-Mode entstanden. Eines dieser Kabinette befindet sich im Goldenen Saal. Auf 34 Rocaillekonsolen stehen hier unterschiedliche chinesische Vasen. Spiegel vergrößern das Kabinett optisch in den angrenzenden Goldenen Saal.

Weißer Saal mit Ovalem Porzellankabinett und Erholungskabinetten

Der Weiße Saal war ein Saal für Hofbälle. Aber erst in der zweiten Bauphase! Denn ursprünglich war hier ein Kirchenraum geplant. Herzog Biron entschied sich nach der Rückkehr aus der Verbannung jedoch für einen Ballsaal und Rastrelli lieferte die Entwürfe dafür. Die weiße Farbe sollte eine leichte und heitere Stimmung verbreiten und im Kontrast zu den prachtvollen Kleidern der Hofgesellschaft stehen. Besonders bemerkenswert sind die phantasievollen Stuckdekorationen von Johann Michael Graff. Das Storchennest in der Deckenrosette gilt als die phantasievollste Kreation des Bildhauers.

Auf den folgenden Bildern seht ihr das Ovale Porzellankabinett im Weißen Saal von Rundāle. Eigentlich sollte hier ein Treppenhaus sein, durch das die Dorfbevölkerung in den ursprünglich geplanten Kirchenraum hätte gelangen können. Die Pläne änderten sich aber und aus der Kirche wurde ein Ballsaal. In das Treppenhaus baute man stattdessen ein Porzellankabinett ein, in dem geschwungene Konsolen Platz für 45 Vasen bieten.

Drei kleine, sparsam möblierte, aber mit reicher Stuckatur versehene Kabinette gehören ebenfalls zum Weißen Saal. Sie dienten den Damen während eines Balls im Weißen Saal als Erholungskabinette, um dort Schminke, Frisur und Kleidung in Ordnung zu bringen. Die ursprüngliche Planung sah hier den Altarraum vor.

Die Große Galerie: Italien im Baltikum

Die Große Galerie ist eine 30 m lange Verbindung zwischen dem Goldenen und dem Weißen Saal. Die Ausmalung von Decke und Wänden erfolgte durch die italienischen Barock-Maler Francesco Martini und Carlo Zucchi und ist einzigartig in Lettland. Zu Hoffesten fungierte die Galerie als Speisesaal und die im Erdgeschoss zubereiteten Speisen wurden an einer langen Tafel gereicht.

Paraderäume des Herzogs: Die barocke Enfilade

Dem Besuch der Festsäle schließt sich während des Rundgangs ein Besuch der Paraderäume des Herzogs an. Eine Enfilade von Gesellschaftsräumen, die für die vielfältigsten Zwecke genutzt wurden. Höhepunkt ist zweifellos das Schlafzimmer des Herzogs.

Die Bibliothek

Die Bibliothek befindet sich am Ende der Enfilade der herzoglichen Paraderäume. Vom ursprünglichen Mobiliar hat sich ein aus Eichenholz geschnitzter Bücherschrank erhalten, nach dessen Vorbild 11 Kopien angefertigt wurden, die heute in diesem Raum stehen. Auf dem Deckengemälde hält die zentrale Figur ein Schild mit der Inschrift „Laborem in victoria nemo sentit“ – „Im Sieg spürt man die Anstrengung nicht“. Die Übergabe der restaurierten Bibliothek an die Öffentlichkeit im Mai 2014 markierte gleichzeitig den Schlusspunkt der Restaurierung von Rundāle, die 50 Jahre lang andauerte.

Rosenzimmer

Johann Michael Graff, ein Bildhauer bayrischer Abstammung, kam 1765 aus Berlin nach Rundāle und lieferte Entwürfe für die Stuckdekorationen an Wänden und Decken in nicht weniger als 29 Räumen. Dies erklärt den maßgeblichen Einfluss des friderizianischen Rokokos in Rundāle. Ein sichtbares Beispiel ist das Rosenzimmer des Herzogs mit seinen mehrfarbigen Blumengirlanden, versilberten Stuckornamenten und dem Deckengemälde „Triumph der Flora“. Einer meiner Lieblingsräume im Schloss.

Schlafzimmer des Herzogs

Das Schlafzimmer des Herzogs bildet den Mittelpunkt der Enfilade im Südflügel von Rundāle. Der Blick aus dem Fenster geht direkt in die Mittelachse des französischen Gartens über. Die beiden 1740 angefertigten Öfen stehen da wie im 18. Jahrhundert, denn sie sind die einzigen im Schloss, die niemals zerstört oder versetzt wurden. Der Entwurf für das Parkett stammt von Rastrelli und wurde 1739 gefertigt. Die Schnitzereien am Alkoven mit den Initialen von Herzog Ernst Johann wurden 1919 vernichtet und bis 1990 wiederhergestellt.

Rundāle unter Herzog Peter

Speisesaal

Lust auf ein stilvolles Abendessen? Dann kommt in den herzoglichen Speisesaal. Die Gestaltung von Voute und Decke stammt noch von Johann Michael Graff unter Herzog Ernst Johann. Herzog Peter ließ den Raum später im klassizistischen Stil umgestalten. Auf dem gedeckten Tisch steht das Tafelservice „Kurland“ aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin, ein Dekor, das bis heute produziert wird. Einige Stücke des Service stammen von 1790, andere wurden im 20. Jahrhundert dazu gekauft.

Billardsaal

Der Billardsaal bildet den Endpunkt der herzoglichen Paradeenfilade. Der Billardtisch, der heute in diesem Raum steht, ist allerdings ein Nachbau nach französischen Vorlagen aus dem 18. Jahrhundert. An den Wänden hängen Bildnisse von Herzog Peter, dem Nachfolger von Herzog Biron, und seiner Frau mit den Töchtern.

Das private herzogliche Appartement

Parallel zur Paradeenfilade auf der Südseite des Mittelbaus befinden sich auf der Nordseite einige private Räume des Herzogs. Sie sind deutlich schlichter und intimer gehalten als auf der Südseite. So gibt es in den Räumen keine Parkettböden und Seidentapeten fehlen auch. Außer im Ankleidezimmer. Unten seht ihr das Ankleidezimmer des Herzogs sowie die beiden Arbeitszimmer aus der Zeit Herzogs Biron und Peter.

Von den Räumlichkeiten der Herzogin zeige ich euch das Boudoir, denn dieser Raum hat mich am meisten beeindruckt. Es ist einer der letzten Räume, die von Johann Michael Graff in Rundāle gestaltet wurden. Die Nische ist als eine riesengroße Muschel gestaltet, eine Idee, die Graff wohl von am preußischen Hof tätigen Johann Michael Hoppenhaupt d. Ä. aufgegriffen hat.

Tipps für euren Besuch

Anreise

Wir sind in einem Mietwagen von Riga nach Rundāle gefahren. Kostenlose Parkplätze stehen in ausreichender Menge zur Verfügung. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Schloss mit dem Bus zu erreichen. Informationen dazu gibt es auf der Website des Schlosses (auch in Deutsch).

Schlossbesuch

Wer noch keine Tickets hat, sollte nicht gleich ins Schloss stürmen, denn die Karten werden in einem einige Meter vor dem Schloss liegenden ehemaligen Stallgebäude verkauft und wer keine hat, wird dorthin zurückgeschickt. Spart euch also den zusätzlichen Weg. Ohnehin empfiehlt es sich, die Karten vorab online zu besorgen. Bringt außerdem genügend Zeit mit, denn das Schloss ist riesig und es können neben den Schlossräumen auch mehrere Ausstellungen besucht werden. Außerdem wartet der Französische Garten auf einen Besuch, in dem man locker schon mal einen halben Tag verbringen kann (Achtung: ihr braucht ein Kombiticket für den Besuch).

Gastronomie

Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich nach dem Schlossbesuch zu stärken. Wir können das Café im Schloss mit sehr gutem Kuchen für eine Zwischenpause empfehlen. Außerdem ein kleines Restaurant mit Biergarten namens „Kafejnīca Pilskrogs“, das direkt am Schloss nur wenige Meter von den beiden Stallgebäuden entfernt liegt. Dort haben wir preiswert und sehr schmackhaft den Tag in Rundāle ausklingen lassen.

In der Nähe

Wer noch Zeit hat, dem empfehlen wir einen Besuch von Schloss Bauska, das ganz in der Nähe liegt. Es handelt sich dabei um ein liebevoll restauriertes Renaissanceschloss mit herrlichen Keramikfußböden und einer Burganlage des Livländischen Ordens. Vom Turm mit einer Aussichtsplattform hat man einen wunderschönen Ausblick auf das Städtchen Bauska und seine Umgebung. Oder stattet dem nahegelegenen Schloss Mezotne einen Besuch ab und geht dort in einem großen Schlosspark spazieren. Charlotte von Lieven, die Erzieherin der Kinder der russischen Zarin Katharina II., erhielt das Gut für ihre Verdienste. Heute ist dort ein Hotel untergebracht, das zum Zeitpunkt unseres Besuchs aber geschlossen war. Eine weitere Empfehlung ist Schloss Jelgava (deutsch: Mitau), die Hauptresidenz der kurländischen Herzoge. Die Fassade des im 2. Weltkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogenen Schlosses wurde komplett restauriert. Das Gebäude wird jetzt als Universität genutzt.

Lust auf mehr Versailles? Dann besucht doch das Versailles des Nordens hier in meinem Schlösserblog.

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